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Bluesnews

Wednesday, 01 September 2010

Bluesnews, Ausgabe 63 - by Thomas Ritter

Swing, Jump, Charisma und Pomade

Die Electrophonics aus der niederländischen Provinz Limburg haben sich mit Haut and Haar den Swing-, Jump- und Jive-Blues verschrieben. "Authentisch" und "Retro" sind bekanntlich zwei Bezeichnungen für soche Musik, die sich in Deutschland durchgesetzt haben. Als sich die Band im Jahr 2001 gründete, spielte sie nur West-Coast-Blues-Coverversionen und hatte noch keine Bläser dabei. Knapp zwei Jahre später stieg der damalige Gitarrist aus, was für die Holländer einen grossen Rückschlag bedeutete. Doch sie nutzten die Veränderung als Chance und wandten sich mehr dem Blues der 40er- und 50er-Jahre zu. 2004 standen die Electrophonics in neuer Besetzung wieder auf der Bühne und begannen auch eigene songs zu schreiben. Dies führte 2006 zur Veröffentlichung der ersten Studio-CD "Feels Like A Million". Auf die Frage, was den überhaupt der grund für die Bandgründung war, kommt die Antwort ganz von Herzen: "Die Leidenschaft für Musik, vor allem für den alten Swing! Der Sound der 50er-Jahre auf Vinyl is so voller Atmosphäre und Gefühl, dass er unser Bluesherz erobert hat." Louis Jordan, Roy Brown und später Pee Wee Crayton, Little Walter und james Harman haben der Band letztendlich "die Augen geöffnet".

Dabei kommen die einzelnen Musiker der Band aus ganz unterschiedlichen Ecken, aber den alten sound, vor allem Swing und Jump, entdeckte man gemeinsam. "Kontrabass dazu, ein altes Drumset, einen Sänger mit Charisma und Pomade im Haar, eine dickbauchige halbakustische Gitarre und eine feine Bläsersektion dazunehmen - fertig!" Mit einem Durchschnittsalter von 33 Jahren sind die Niederländer vergleichsweise jung. Die "Blue Wave" in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts haben die wenigsten von ihnen mitbekommen. Auch die Retro_Welle in Europa begann über 10 Jahre vor der Gründung der Electrophonics. Nachdem die Retro-Welle etwas abgeebbt ist, stellt sich die Frage, inwieweit es überhaupt noch einen Markt für "Nachmach-Blues" gibt. Dieses Wort mag die Band so undifferenziert nicht stehen lassen: "Jede Musikrichtung hat ihren Ursprung, insofern kann man alles als Kopie bezeichnen. Wir fragen uns auch immer, inwieweit wirklicht alles neu sein muss. Wir glauben, dass jeder auf der Suche nach dem Wesentlichen ist, auch in der Musik. Blues kann noch so authentisch sein, bleibt aber immer irgendwie auch Kopie, wenn man ihn ehrlicht spielen will." Eine interessante Aussage, denn die meisten Bands lehnen es ja rundweg ab, auch nur im Ansatz des "Nachmachens" bezichtigt zu werden.

Die Situation auf den Bluesmarkt is für die Electrophonics in Holland sehr speziell. Man könne dort sehr gut existieren, solange man nicht davon leben muss, schertzt die Band. Es gebe eine sehr grosse Bluesszene in Belgien und den Niederlanden und sehr schöne Festivals wie Moulin Blues in Ospel oder das North Sea Jazz Festival in Rotterdam und dann in Belgien das Peer Festival. Überall dort und auch in Norwegen auf den Bragdoya Blues Festival habe man schon gespielt, aber in den Niederlanden gebe es vor allem eine grosse Bluesrockszene. Davon würde sich eine Band wie The Electrophonics mit ihrem Retro-Swing und Jump-Blues und einem sound, der am besten lingen solle wie aus einer alten Kiste, eben stark abheben. Man sei in den Niederlanden da ohne viel Konkurrenz. Es hat aber nicht nur Vorteile, einige der wenigen Bands dieses Stils in einem engen Markt zu sein. Quasi aus der Not geboren wurde das bandeigene Label Retro Swing Records (RSR) gegründet, auf dem exklusiv die eigenen Scheiben erscheinen, "vor allem, weil es eben in unserem musikalischen Genre keine wirklichen Strukturen gibt. " Diese Notwendigkeit zum Selbermachen hat aber wiederum auch Vorteile. So sind die Kontakte des Septetts zu den Bookern sowoh der grossen Festivals als auch der kleinen Dorfkneipen ausgezeighnet. Und auch der Draht zu Fotografen und der Presse sei hervorragend.

Gefragt nach den Kontakten zu bekannten Kollegen aus den Niederlanden, stellen die Electrophonics fest, dass man sich regelmässig sowohl im In- als auch im Ausland begne, wenn man auf Tour is. Das Verhältnis sie sehr gut, was für eine sehr entspannte Atmosphäre untereinander sorgt. "Es ist eben eine kleine Welt, sowohl für Produzenten als auch Konsumenten guter Blues- und Rootsmuzik", zieht die Band ihr Fazit. Aber auch die Kontakte im Ausland seien sehr gut, vor allem die deutschen Bluesliebhaber finden die Limburger beeindruckend: "Da is enorm viel Respekt für das, was wir machen, und es ist grossartig, für das deutsche Publikum zu spielen. Da ist immer eine unglaublich konzentrierte Aufmerksamkeit, wenn wir Konzerte geben!" Das verwundert nich, denn das musikalische Niveau der Electrophonics ist fantastisch, die Songs ebenso. Und auch die Mission, die sich die Band selbst auferlegt hat, trägt zur Begeisterung des Publikums bei, denn man habe sich schlicht vorgenommen, möglichst viel Spass und Freude beim Musizieren zu erleben, den Stil zu finden, der am besten zur Band passe, und vor allem, das Publikum zu begeistern. Frontmann Stephan Hermsen könne das wie kein anderer. Die Mission korrenspondiert auch mit der Antwort auf die Frage nach den Wünschen, die die Band hegt: "Die wichtigsten Wünsche sind, uns noch mehr in das, was wir jetzt tun, vertiefen zu können, aber vor allem unsere Musik wietermachen zu können - träumend auf dem Swing Train sitzend, um noch in vielen weiteren Bahnhöfen zu halten, damit viele Liebhaver unserer Musik aufspringen können auf den Swm Train!"